Rund ein Drittel der Lebensmittelabfälle landen im Restmüll und somit auf der Mülldeponie oder in Verbrennungsanlagen. Dabei werden die Bildung von Methangas und Problemstoffen gefördert und beim Transport Treibhausgas erzeugt. Da die meisten Lebensmittel ohnehin schon in und durch die Stadt transportiert werden müssen, könnte man die Reste doch gleich Vorort weiterverwerten und wertvollen Dünger für die Nachbarschaft daraus machen. Cordula Fötsch vom Verein Gartenpolylog hatte die Idee eine Gemeinschafts-Kompostanlage in ihrem Grätzel zu verwirklichen. Der große Vorteil der dezentralen Kompostierung: man braucht kaum Fläche und relativ wenig Materialien zur Umsetzung, produziert aber besten Dünger und spart dabei Transportkosten und Emissionen. Sie hat uns in einem Interview mehr dazu erzählt und ermutigt zum Nachahmen.
Cordula ist Vorstandsmitglied des Vereins Gartenpolylog, der sich auf die Umsetzung von Gemeinschaftsgärten mit interkulturellem Kontext spezialisiert hat. In Gemeinschaftsgärten passiert viel Austausch und das gemeinschaftliche Garteln bietet viele Möglichkeiten, um Umweltthemen zu vermitteln und besser verständlich zu machen, aber auch um sozialen Austausch und den Gemeinschaftssinn zu fördern.
Grundsätzlich geht es bei diesem Projekt darum, das Bewusstsein für Ressourcenkreisläufe zu erhöhen und gleichzeitig die Menschen in der Nachbarschaft zusammen zu bringen, Austausch zu fördern und nebenbei noch guten Kompost herzustellen. Der im Projekt entwickelte Prototyp einer Kompostanlage für den öffentlichen Raum soll als Vorlage für weitere Standorte dienen. Es wurden drei Kompostcontainer in der Markgraf Rüdiger Straße in Fünfhaus installiert wo alle, die mitmachen wollen, den Biomüll entsorgen können. Alle paar Monate wird der Kompost gemeinschaftlich umgeschaufelt und dabei können die Teilnehmer:innen viel Neues über den Prozess des Kompostierens erfahren. Am Ende der Saison wird der Kompost geerntet und verteilt, oder eingelagert bis er gebraucht wird, um z.B. Balkonkisterl, Blumentöpfe, Beete und Baumscheiben zu düngen, oder zu befüllen. Geplant sind auch Workshops für Kinder, um ihnen den Prozess des Kompostierens zu veranschaulichen und die wichtigen Funktionen von Organismen wie z.B. Asseln und Würmern näherzubringen.
Die Idee zu den Grätzelkompostern entstand, weil Gemeinschaftsgärten nicht flächendeckend umsetzbar und sehr aufwändig in der Organisation sind. Daher wurde nach Alternativen gesucht, die auch in dicht besiedelten Orten relativ einfach umgesetzt werden können und trotzdem wirkungsvoll sind, um Abfälle zu vermeiden und das Bewusstsein für Ressourcenkreisläufe zu erhöhen. Gesucht, gefunden. Das Konzept des Gemeinschaftlichen Kompostierens ermöglicht genau das. In Vielen Städten wird dieses Konzept schon angewendet, wie z.B. durch die Kampagne Composter à Paris in Frankreich, oder geschäftlich betrieben, beispielsweise durch compost pedallers in den USA. Seit Herbst 2020 gibt es nun auch zwei Pilotprojekte in Wien sowie die ersten Anfragen und auch Nachahmer, z.B. in Floridsdorf. Das Projekt Essbare Seestadt hat dazu einen Praxis-Baustein entwickelt wie Gemeinschaftliches Kompostieren in der Stadt funktionieren kann und stellt einige Best Practice Beispiele vor.
Bei der Standortwahl gibt es einiges zu beachten. So sollten die Container nicht zu versteckt stehen, um Vandalismus vorzubeugen. Gleichzeitig sollen sie aber auch niemandem im Weg sein, oder öffentliche Arbeiten behindern. Man benötigt gerade mal ein paar Quadratmeter Freifläche. Außerdem sollte der Standort für alle Beteiligten gut und schnell erreichbar sein. Aus Erfahrung kann Cordula sagen, dass die Container innerhalb von drei Gehminuten von den Teilnehmenden erreichbar sein sollten, ansonsten sinkt die Bereitschaft ihren Biomüll hinzubringen.
In Wien hat man über die Gebietsbetreuung Stadterneuerung gute Möglichkeiten bei der Bezirksvorstehung anzufragen ob so ein Projekt möglich wäre. Diese Vorgehensweise hat sich, laut Cordula, bewährt. Ergibt sich jedoch keine Möglichkeit die Container auf öffentlichen Flächen unterzubringen, kann man nach alternativen privaten und halböffentlichen Flächen suchen. Diese Lösung wurde z.B. beim Pilotprojekt in der Seestadt Aspern angewendet. Ist die Genehmigung gegeben, kann man sich an die Umsetzung machen. Die Nachbarschaft wird am besten per Anschlag in den umliegenden Wohngebäuden und über verschiedene digitale Kanäle über das Projekt und Mitmachmöglichkeiten informiert. Alle Teilnehmenden sollten zu Beginn eine Einführung in die Grundregeln des Kompostierens erhalten und es braucht zumindest eine hauptverantwortliche Person, die als Ansprechpartner:in und Kontrolleur:in dient, um z.B. Geruchsbildung zu vermeiden und gute Kompostbedingungen aufrechtzuerhalten.
Das Pilotprojekt wurde durch die Wien-Förderung für Soziale Innovation finanziert. In einem nächsten Schritt will Gartenpolylog Modelle erarbeiten, wie weitere Kompostanlagen entstehen können.
Cordula freut sich über weitere Eigeninitiativen und richtet eine „herzliche Einladung an alle das nachzumachen, die Lust darauf haben. Wir geben unsere Erfahrungen gerne weiter und freuen uns, wenn es bald ganz viele Gemeinschaftskomposte gibt.“
20.1.2022
