Kürzlich beim Einkaufen im Supermarkt fiel mir wieder auf: Viele Produkte sind einzeln verpackt, behandelt haltbar gemacht und wurden teils über tausend Kilometer transportiert; Gemüse, Obst und Getreideprodukte haben Markennamen, die sie samt ihrer äußerlichen Verpackung unterscheiden, obwohl vielfach die gleiche Lieferung enthalten ist. Das Einkaufen der Lebensmittel ist einfach, schnell und bezuglos. Und so gibt es kaum eine herausragende Geschichte zu den Lebensmitteln und ihrer Produktion zu erzählen.
Dennoch gibt es sie – die Konzepte, die auf anderen Geschichten basieren und die Lebensmittelproduktion anders denken, sowie neue und alte Herangehensweisen verknüpfen. Das Projekt DIRECT HUBS hat unter anderem am Verknüpfen gearbeitet und das Wissen vieler im Bereich Kreislaufwirtschaft und Lebensmittelproduktion zusammengeführt. Das Spektrum der „Erzählungen“ reicht von aktiven Konsument:innen, die sich als Innovator:innen verstehen und einen Verein starten, anderen, die ihre Ideen mit einem Businesskonzept verknüpfen und ein Start-up gründen, oder Geschäftstreibende, die mit Hightech-Aquaponik Fischzucht und Gemüseproduktion betreiben, bis zum selbstorganisierten Gemeinschaftsgarten, Urban Gardening, oder dem Kräuterziehen auf dem Balkon. Viele Menschen haben Spaß am Selbermachen und Lust auf Gemeinschaftsprojekte, die ebenfalls in Wien in den verschiedenen Bezirken entstehen. Immer mehr Stadtbewohner:innen suchen auch nach Alternativen zur gesichtslosen Massenproduktion.
DIRECT HUBS hat mit dieser wachsenden Gruppe in Wien (und darüber hinaus in den Bundesländern) während seiner beiden Umsetzungsjahre einen regen Austausch gepflegt. Bewährte und neue Projekte oder Vereine wurden bereits hier auf der Website kreislaufwirtschaft.at mit ihren innovativen Ideen und Herangehensweisen sichtbar gemacht und können auch noch nach Projektende online hinzugefügt werden.

RAUS AUS DER BLASE!
Eine wichtige Botschaft wurde bereits beim ersten DIRECT HUBS IMPACT Cafè im September 2021 ausgesprochen: „Get out of the bubble!“ hieß es in den zukunftsorientierten Diskussionen zwischen Start-up-BetreiberInnen, den Mitgliedern engagierter Vereine und VertreterInnen der öffentlichen Verwaltung. Es ginge darum, nun die Innovationsblase in Richtung kreislaufbasierte Lebensmittelproduktion als gelebte, partizipative Praxis für möglichst viele zu ermöglichen. Neue Schnittstellen in Richtung Produktion, Handel oder die Stadtentwicklung wären notwendig und möglich. Als verbindend- steuerndes Konzept können partizipative Herangehensweisen einen wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung liefern, die auch ein Augenmerk auf das Vermitteln von Wissen, forschendem Lernen und Probehandeln und dadurch einen Grundstein für eine partizipative, kreislaufbasierte Lebensmittelproduktion legen.
Ein Beispiel dafür sind Ernährungsräte, die in der Regel engagierte Bürger:innen, Fachexpert:innen und Vertreter:Innen der Stadt- oder Kommunalverwaltung zusammenbringen. Sie setzen sich dafür ein, dass es in Städten wieder mehr lokale und nachhaltige Lebensmittel gibt. Dafür wird unter Beteiligung von möglichst vielen Gremien und Gruppen ein Masterplan für eine „Foodpolicy“ entwickelt. Auch in Wien gibt es einen Ernährungsrat, der die Beteiligung der Wiener Bevölkerung an der Ausgestaltung des Wiener Ernährungssystems unterstützt und als Sprachrohr zu politischen Gremien aktiv ist.

„Wie schaffen wir gemeinsam ein Ecosystem für einen kreislaufbasierten Lebensmittelraum Wien?“
Im Projekt DIRECT HUBS standen auch Fragen zum gemeinsamen Raum für die Entwicklung von Eco- und soziale Innovationen im Vordergrund: Wie sollte so ein Raum gestaltet, was sollte dort machbar sein, und wo könnte man/frau solche neuen Räume in der Enge der Stadt schaffen? Verknüpft waren alle diese Aspekte mit der Leitfrage, wie Innovation überhaupt am besten entstehen können, auch wer Changemaker:in und wer Träger:in sein könnte?

In den Diskussionen mit den unterschiedlichen Akteur:innen wurde rasch deutlich, dass ein nachhaltiger urbaner Ernährungsraum nur auf der Basis eines ausgeprägten Grätzel- bzw. Nachbarschaftsdenkens möglich wird, das Konsum und Produktion im öffentlichen Raum respektive so genannte dritte Orte (third places) und private Räume zusammenführt und möglichst auf sozial innovative Geschäftsmodelle fokussiert.
Mitglieder dieser wachsenden „Wiener Szene“ beschrieben die hohe Komplexität des Ernährungssystems als Grundvoraussetzung für die Entwicklung eines Kreislauf-Hubs bzw. DIRECT HUBS. Es müssten in solch einem Vorhaben viele Stakeholder:innen „an Bord geholt“ werden. Als Beispiel wurde der Aufbau einer Gemüsefarm genannt – dies benötigt einerseits Flächen mit entsprechenden Widmungen, Steuerkonzepte als auch den Aufbau von Stammkund:innen. Ebenfalls wurden Fragen zur Rückgewinnung von Ressourcen als wesentlich beschrieben.
Im kurzen Fazit: Um dies zu ermöglichen, wird praktische Expertise und ein offener Wissenstransfer benötigt. Hervorgehoben wurde der Community- und noch granularer der Nachbarschaftsgedanke als auch der Grad der Verbundenheit innerhalb dieser; wenn es gelingt „Komplexität so zu bearbeiten (…) desto mehr kriegt man Wirksamkeit auf dem Boden.“
Eine kollaborative Wissensgenerierung ist ein wichtiger Antriebsmotor im DIRECT HUBS Projekt, die sich in vielen praxisorientieren Materialien auf der Website kreislaufwirtschaft.at widerspiegelt. Ein Schmöckern lohnt sich, wenn frau/ man an der Umsetzung einer kreislaufbasierten (Lebensmittel-)Produktion interessiert ist!
Forschungspartner Zentrum für Soziale Innovation
Das Zentrum für Soziale Innovation (ZSI GmbH) in Wien unterstützte das Projekt DIRECT HUBS mit sozialwissenschaftlicher Begleitforschung und bei Ko-Kreationsprozessen mit dem Ziel einer ausgewogenen Beteiligung wesentlicher Interessensgruppen. Fragen dazu und darüber hinaus können Sie gerne an Pamela Bartar (ZSI) richten, die das Projekt DIRECT HUBS unterstützt: bartar@zsi.at
